Auf dem Biomarkt

Marita Lamparter Auf dem Biomarkt Die Herbstsonne scheint auf den kleinen Marktplatz. Vor einiger Zeit wurden die alten Platanen gefällt und die Sonne stellt die Stümpfe bloß. Clarissa ist spät dran, sie ist fast immer spät dran: Vor dem Gemüsestand steht schon eine Schlange. Eine junge Frau schiebt den Kinderwagen so energisch zur Seite, dass sie damit Clarissa über die Füße fährt. Sie entschuldigt sich nicht, hier haben junge Mütter mit Kinderwagen immer grünes Licht und Vorfahrt. Ottenser Gereiztheit liegt in der Luft. Vielleicht geht es am Backstand schneller. Vor…

Kommentare deaktiviert für Auf dem Biomarkt

Als es vorbei war 7

(Credits to Gudrun Hammer) Susanne Neuffer Als es vorbei war 7 ...war Flora (so erzählte sie mir) gut auf die Wiederkehr des Gewohnten vorbereitet: Sie hatte ihre Garderobe sorgfältig überprüft und teilweise erneuert, ein frühes Date beim Friseur erkämpft, ihr Fahrrad geputzt und eine Dauerkarte bei der Hochbahn geordert. Sie wollte keinesfalls Kalorien zählen oder besonders sparsam oder wählerisch sein, denn nun war ja die Zeit der lebendigen Treffen, der Cafébesuche und des Abhängens in kleinen Bars gekommen. Sie war bereit, den Menschen entschieden und vergnügt gegenüberzutreten. Mit ihrer früheren…

Kommentare deaktiviert für Als es vorbei war 7

Revision

Susanne Neuffer: „Ich mag den 'Rausch' des Kürzens beim Bearbeiten meiner Geschichten - sie werden dann deutlicher, auch für mich.“ Revision Du hast einen Text geschrieben. Das geschieht täglich, dazu sind wir da. Da der Text in unsere Zeitschrift soll (grobes Papier, sparsames entschiedenes Design, winzige Auflage), bin ich mitverantwortlich, denke ich. Oder nicht? Ich sollte den Text wenigstens verstehen, es geht nicht um mein ästhetisches Urteil. Wir pfuschen uns nicht gegenseitig in die Suppe. Ich verstehe den Text nicht. Seine grellen Bilder springen mir kühn in den Kopf, aber…

Kommentare deaktiviert für Revision

Auf hoher See

Renate Langgemach liebäugelt mit dem Untergang: Auf hoher See Den Titel übrigens hat sie sich beim absurden Theater von Slawomir Mrozek ausgeliehen. Auch die Großen, Majestätischen, können wie eine Nussschale sinken, in die das Wasser einläuft, während man nach Backbord strauchelt um es auszuschöpfen. Durch diese Bewegung schluckt das Boot noch einmal kräftig und taumelt in die Tiefe. Wenn man Glück hat, erwischt man ein Ruder oder die mit Kork ausgeschlagene Vorratskiste und hält sich über Wasser, bis man gerettet ist. Als die Meldung kam, hatte der Kapitän die Eisnadel…

Kommentare deaktiviert für Auf hoher See

Welches Schiff

Marita Lamparter hat sich für einen Anfang entschieden: Welches Schiff kommt heute vorbei? Das Schleusenhäuschen. Es war ein kleines eingeschossiges Haus aus roten Backsteinen mit einem fast quadratischen Grundriss. Darin saß der Schleusenmeister, der mit seinen Hebeln die großen Schleusentore in Bewegung setzen konnte. Obwohl das Schleusenhäuschen klein war, höchstens drei Menschen konnten sich gleichzeitig darin aufhalten, strahlte es dennoch Wichtigkeit und Bedeutung aus, denn es stand oberhalb der Schleuse, es konnte vom Wasser schon von weitem gesehen werden und bot den Überblick über Schleuse und Brücke. Die Schiffe kamen…

Kommentare deaktiviert für Welches Schiff

Der Mythos vom ersten Satz

Die eine rauscht rein, die andere träumt im Morgengrau: Der Mythos vom ersten Satz Renate Langgemach: Bei mir ist es so: Zuerst ergibt sich ein Thema. Das umkreise ich mit Notizen, Lektüre, ersten Passagen. Damit vergeht beim Roman mindestens ein halbes Jahr, bei Kurzgeschichten ist’s naturgemäß kürzer! Marita Lamparter: Ich fange auch mit einer Notiz an, einem Einfall. Inzwischen weiß ich, das ist Warmschreiben, das streiche ich später. R.L.: Eines Tages, oft zwischen Aufwachen und Aufstehen, taucht ein Anfangssatz auf – jetzt muss ich an Mayröcker denken, auch ihre magischen…

Kommentare deaktiviert für Der Mythos vom ersten Satz

Als es vorbei war 5

Susanne Neuffer Als es vorbei war 5 Die Veranstaltung war schon lange geplant worden. Monatelang? Oder waren es Jahre gewesen? In der letzten Zeit war es mühsamer geworden, den Überblick zu behalten, deshalb hatten sich viele ins Tagebuchschreiben gerettet, verzeichneten ihre wenigen Einkäufe und Begegnungen mit großer Sorgfalt, dazu ihre Gefühlsschwankungen, Bitterkeiten und trotzig-schnurrigen Anekdoten, und stellten alles ins Netz. Wo es niemand lesen wollte, weil alle in etwa dasselbe erlebt hatten, abgesehen von denen, die wirklich Schlimmes erlebt hatten. Aber die schwiegen. Nun war also die Bühne aufgebaut, auf…

Kommentare deaktiviert für Als es vorbei war 5