Im Garten

Marita Lamparter Im Garten Clarissa fragte sich, ob das wirklich eine gute Idee war, die beiden Nachbarjungs von drüben zu bitten, die Gartentische, Stühle und Bänke aufzustellen. Denn sie sah jetzt, dass die Jungen ungelenk, mit zu viel Kraft und knallenden Geräuschen die Biergartenbänke wuchteten als seien es Brückenpfeiler, dazu machten sie alberne Bemerkungen und Handyfotos. Ich muss unbedingt in ihrer Nähe bleiben und die beiden dirigieren, sonst kann ich später alles wieder neu aufstellen, dachte sie. Die Brüder Jonas und Kasper waren wie angestochen vom Honorar und der jugendlichen…

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Doppelter Frühling

Renate Langgemach Auszug aus meinem Roman Doppelter Frühling, Edition Contra-Bass. Lou ist in Venedig. Sie läuft durch die Hintergassen und nach San Marco, ihr Blick getrübt (oder eher geklärt?!!), weil sie zurückgewiesen wurde von ihrem venezianischen Liebhaber. Ein Pfahl steckt im Wasser. Wenn eine Welle kommt, schwankt er. Ein Stein schwankt auf dem Pfahl. Das Haus schwankt. Das Bett schwankt. Ich mit ihm. Mein Nachtschrank schwankt, der Spiegel, die Karren, die hier überall durch die Gassen rumpeln, zehn Kisten Cola ins Falzone. Und noch mal zehn Kisten. Es ist Zeit…

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Schwein gehabt

Marita Lamparter Schwein gehabt (aus: Dorfgeschichten)   Gleich nebenan ist der Schweinestall. Das Holz ist schon spröde und grau verwittert. Im Stall gibt es eine Wäscheleine für Wäschestücke, die nicht jeder sehen soll. Die Wäsche riecht gut, wenn sie abgenommen wird und in der Küche liegt. Zum Schweinestall gehört das Freigehege, ein buckliges matschiges Gelände, dort liegen die Schweine in der Sonne. Ein friedliches Bild. Sylvia hört ihr Grunzen. Obwohl sie ein ängstliches Kind ist, geht sie gerne zum Schweinestall, sie sitzt auf dem Zaun. Die Schweine grunzen und wühlen…

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Die Frau. Der Bär.

Susanne Neuffer Die Frau. Der Bär. Wenn in einem Abteil nur ein Platz reserviert ist, und zwar erst ab der Mitte des Landes, ist es in Seuchenzeiten schlau, sich schon im Norden in dieses Sechser-Abteil zu setzen. Bis G. bin ich, wie immer ohne Reservierung, also in diesem Abteil allein. Dort aber steigt sie zu: alt, elegant, versehen mit qualitativ anspruchsvollem Gepäck von einer dieser Marken: weitgereist und biofair. Dazu gehört eine Tasche, aus der ein riesiger Plüschbär ragt. Oh, denke ich, eine Großmutter unterwegs zu den Enkeln, wie schön.…

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Unterwegs in Ottensen

Marita Lamparter Unterwegs in Ottensen Clarissa geht in Ottensen auf den Markt. Sie möchte Blumen für ihr Sommerfest einkaufen, dabei trifft sie zufällig ihren Freund Jens und ihre Freundin Ingrid. An diesem Tag denkt sie immer wieder an ihre alte Liebe Peter, den sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat und den sie auch zu ihrem Fest eingeladen hat. Clarissa, Festvorbereitungen, eine alte Liebesgeschichte – es dauert nicht allzu lang, bis der Groschen fällt. Es ist ein Spiel mit Motiven und Konstellationen: Die Clarissa, die in einem Hamburger Stadtteil…

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sieben kleider

sieben kleider hab' ich getragen dünn und fest und fast wie die haut an ihren bändern zu ziehen begann ich zu wagen still dabei sein, verlorene braut haut der schneetage haut des vergangenen mondes bergnebelhaut haut des hundehauses steinhaut regenhaut brannthaut   wenn das wünschen wäre in jedem napf wie unvergorenes blut wünschte ich mir mohnzeit badete in blau sprünge über bäche sprengte das eis von meinem rücken und stolperte nie wieder in den graben zwischen stillstand und voran der glieder   willst du töten geh zu den mördern sie…

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Die Kühlschränke des Nordens

Die Kühlschränke des Nordens Die Kühlschränke des Nordens singen das alte Lied vom Eis singen falsch mehrstimmig surrend intermittierend in den Hütten und in den großen Küchen wo die Stiefel vor der Tür qualmen und die Backöfen grimmig leuchten Wie sollen sie standhalten Wie lange noch     lesung die anwältinnen zeigen dem dichter dunkle schenkel hilfskräfte bemühen sich um einen österreichischen unterton die stuckbabies an der saaldecke scheißen farbsplitter auf die andacht eine frage stellen oder gleich an die bar (aus: männer in sils maria, maroverlag 1999)    …

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Als es vorbei war 8

Susanne Neuffer Als es vorbei war 8 ...wurde es zu einer Gewohnheit, halbjährlich zum Impfen zu gehen, denn die Verantwortlichen sagten, es sei nie vorbei und zitierten dann den letzten Satz von Camus „Pest“. Wir erhielten die Benachrichtigung, seufzten über den unpassenden Termin, buchten um oder auch nicht, gingen hin, bekamen die Impfung, ließen sie auf dem Gerät oder dem Kärtchen speichern. Einige Unbelehrbare kamen immer noch mit ihrem abgegriffenen gelben Heftchen daher und zwangen das junge Impfpersonal zu peniblen Einträgen per Hand, was dieser Generation offenbar schwer fiel. Allein…

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Jerry kurzes Kichern

Renate Langgemach Jerry kurzes Kichern Wer geht schon gern auf die Reeperbahn außer den Unermüdlichen aus Essen oder Bottrop. An schwankenden Gestalten vorbei, Pisspfützen, spuckenden Youngsters und Gyrosgeruch, an Einladungen zum Sex unter Neongegröl und anzüglichen Blicken. Weggucken heißt es. Bloß nicht hingucken. Sonst könnte man angesprochen werden oder im schlimmsten Fall in eine Schlägerei verwickelt. Weil Rita schon lange darauf bestand, mache ich heute eine Ausnahme. Sie sagt, die Reeperbahn ist der geschützteste Ort in ganz Hamburg, soviel Bullen wie da findest du nirgends, die Nutten machen noch den…

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Keine Einkehr

Gudrun Hammer Keine Einkehr Die Kellnerin seufzt und lächelt. Als warte sie seit Stunden auf Bettina. Kommen Sie hinter den Tresen. Hier die Stufen runter. Holztäfelung, gedämpftes Tageslicht durch Butzenscheiben, zwei lange Tafeln, eine unbenutzt. Die andere ein Trümmerfeld. Zusammengedrückte Bierdosen, Kippen rund um den Aschenbecher, ein umgekippter Kerzenleuchter, Bierflecken neben halb vollen Gläsern, leere Cognacschwenker. Das sind die Herren. Sie lächelt noch einmal, dieses Mal, als bitte sie Bettina um Verzeihung, und flieht nach oben. Zwei oder drei stehen mühsam auf. Halten sich am Stuhl fest, am Tisch, die…

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