Romanauszug „Doppelter Frühling“
© Silke Goes

Romanauszug „Doppelter Frühling“

Renate Langgemach Doppelter Frühling Essen. Was die Literatur betrifft, fallen mir Der Butt und Das Muschelessen ein, Austern als Symbol für Erotisches, die unverdrossenen Staatsanwälte und Kommissare in französischen Krimis, zumindest solchen, die in Frankreich spielen, sie erweisen sich als Kenner von Wein und Champagner, aller großen und kleinen Menüs, die es in Paris gibt oder im Périgord, zeichnen sich aus als Männer von Geschmack, Galanterie und Weltläufigkeit. Dagegen setzt Heine Sauerkraut mit Stockfisch in kluger Butter, frei nach Deutschland ein Wintermärchen. Dass Literatur selbst Nahrung sein kann, ist ein…

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Zimtwecken

Susanne Neuffer Nicht alles, was gut schmeckt, ist bekömmlich, das wissen wir aus den Märchen. Auch die Zimtwecken in der folgenden Geschichte haben offensichtlich eine magische Wirkung. Nicht verwirren lassen, wenn hier zweimal Enno auftaucht. Dass die beiden männlichen Protagonisten bei Renate und Susanne denselben Vornamen tragen, ist Zufall und hat NICHTS zu bedeuten! Zimtwecken Mirja mag keine Frühstücksbüfetts, sie will nicht dauernd aufstehen, durch den Raum gehen, allen Blicken ausgesetzt, auswählen, Sachen ohne Kleckern auf den Teller laden und zum Tisch balancieren. Sie mag kleine dumpfe Frühstückszimmer in hellhörigen…

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Der Preisskat

Marita Lamparter Nicht alles was lecker aussieht, schmeckt auch und wenn es noch so gut gemeint ist wie hier in der Geschichte aus den Anfangszeiten des Wirtschaftswunders. Der Preisskat Die Dorfkinder drücken sich die Nase an der Schaufensterscheibe platt, aber auch die Erwachsenen gucken neugierig, denn im Schaufenster des Metzgers steht ein großer Präsentkorb aus goldenem Geflecht. „Ob man den Korb tragen kann, der Henkel ist ganz zierlich.“ Das Gebilde ist gefüllt mit Weinflaschen aus dem Moselgebiet, einer Flasche Mariakron, auf der anderen Seite steht eine Ananas mit ihrer spitzen…

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Die Überfahrt

Susanne Neuffer Die Überfahrt Wer außer einer Fähre kann noch laut ins Horn stoßen um zu sagen: Da bin ich! Aus dem Weg! Ich bin so lang und breit, dass eine Begegnung mit mir für nichts und niemanden gut ausgehen kann! Es ist nicht klug, denke ich, all diese Lastwagen und Züge auf die Fähre zu lassen. Sie hat schon so viel geladen, was sie nach unten drücken könnte. Was wiegt eine Geschichte? Muss die Zahl der Passagiere mit Heimweh und derer mit Fernweh ausgeglichen sein? Oben in der Pianobar,…

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In der Kürze liegt die Würze

  Renate Langgemach: In der Kürze liegt die Würze: Wörter-Flashes, die ein ganzes Universum einfangen, gesammelt auf den Straßen von Paris, ein Gedicht und ein fiebrig-assoziativer Text, der einfach nicht länger sein darf … kürzen gibt Schliff. Und ist meist Knochenarbeit. eine taube im stechschritt einen satz fangen wie einen fisch das leben ist so absurd, sagt der junge mann, der alte mann untersucht sein knie mittwochs melancholie bis zweiundzwanzig uhr   renate langgemach paris noir&blanc in unserem krieg sagt die alte hat man nicht jeden gefallenen zu seinem grab…

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Regen in Italien

Regen in Italien Blick von der Dachterrasse ins Tal. Regen trommelt auf das kleine Wellblechdach des Wintergartens. Der graue Himmel ist eins mit dem Nebel im Tal. Der Bergkamm ist kaum noch zu sehen, nur dunkle Schatten wie große ruhende Tiere. Gegenüber ist eine Baustelle, die Plane auf dem Dach flattert trotz der aufgelegten Steine. Die alten Häuser mit ihren scheckigen Dachziegel sehen im Regen trostlos aus. Das Tropfen und Trommeln des Regens zerrt an den Nerven. Dabei regnet es erst seit heute Mittag. Am besten legt man sich ins…

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Eine bescheidene Landschaft

Marita Lamparter: „Kurze Texte sind für mich Momentaufnahmen wie ein Foto.“ Eine bescheidene Landschaft An der Flusswindung stehen mächtige Weiden. Ihre Äste reichen tief ins Wasser. Die breite Flussaue ist grün, üppig bewachsen, aber hier geht’s nicht weiter, die Nutzflächen reichen bis zum Ufer. „Landwirtschaft“, denkt sie, „und wirklich ein bescheidener Fluss.“ Sie schaut zum Ufer, hier fließt die Lippe, glitzert blau vom Zulauf der Pader, fließt weiter, fast unbemerkt auf verschlungenen Wegen durch diese unspektakuläre Landschaft und verschwindet im Rhein. Stille, blauer Himmel und die weißen Wolken hängen tief.…

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Madonna die Reggio

Renate Langgemach Madonna di Reggio Es ist eine Verwirrung, Handwerkszeug hat er gestohlen, eine Säge, eine Schraubzwinge, ich bekomme keine Ordnung in meinen Kopf, wie konnte er in die Halle dringen, ein Fenster ist zerstört, die Tesastreifen, mit denen die Fenster zugeklebt waren, sind abgerissen. Ich hatte doch Decken über alle Werkzeuge gelegt, war nur die halbe Nacht zu Hause gewesen, das Hämmern hört nicht auf, meine Schläfen wollen nicht ruhen, das wertvollste Stück liegt noch da, wieso hat er es nicht genommen, Elend zieht durch meinen Bauch, es muss…

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Schwein gehabt

Marita Lamparter Schwein gehabt (aus: Dorfgeschichten)   Gleich nebenan ist der Schweinestall. Das Holz ist schon spröde und grau verwittert. Im Stall gibt es eine Wäscheleine für Wäschestücke, die nicht jeder sehen soll. Die Wäsche riecht gut, wenn sie abgenommen wird und in der Küche liegt. Zum Schweinestall gehört das Freigehege, ein buckliges matschiges Gelände, dort liegen die Schweine in der Sonne. Ein friedliches Bild. Sylvia hört ihr Grunzen. Obwohl sie ein ängstliches Kind ist, geht sie gerne zum Schweinestall, sie sitzt auf dem Zaun. Die Schweine grunzen und wühlen…

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Die Frau. Der Bär.

Susanne Neuffer Die Frau. Der Bär. Wenn in einem Abteil nur ein Platz reserviert ist, und zwar erst ab der Mitte des Landes, ist es in Seuchenzeiten schlau, sich schon im Norden in dieses Sechser-Abteil zu setzen. Bis G. bin ich, wie immer ohne Reservierung, also in diesem Abteil allein. Dort aber steigt sie zu: alt, elegant, versehen mit qualitativ anspruchsvollem Gepäck von einer dieser Marken: weitgereist und biofair. Dazu gehört eine Tasche, aus der ein riesiger Plüschbär ragt. Oh, denke ich, eine Großmutter unterwegs zu den Enkeln, wie schön.…

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