Renate Langgemach
Madonna di Reggio
Es ist eine Verwirrung, Handwerkszeug hat er gestohlen, eine Säge, eine Schraubzwinge, ich bekomme keine Ordnung in meinen Kopf, wie konnte er in die Halle dringen, ein Fenster ist zerstört, die Tesastreifen, mit denen die Fenster zugeklebt waren, sind abgerissen. Ich hatte doch Decken über alle Werkzeuge gelegt, war nur die halbe Nacht zu Hause gewesen, das Hämmern hört nicht auf, meine Schläfen wollen nicht ruhen, das wertvollste Stück liegt noch da, wieso hat er es nicht genommen, Elend zieht durch meinen Bauch, es muss ein Geräusch, es muss ein Geräusch sein. In mir die Madonna di Reggio, ich betrachte die Kirche, mich umgibt Spannung, ich bemerke, dass zwei hinter dem Altar sitzen und mich in ihren Sog nehmen. Die Spannung hier ist anders. Hier ist einer, zwischen den Werkzeugen, die fehlende Schraubzwinge legt sich um meine Schläfen, ein Ring drängt sich wie die Kopfstütze eines alternden Herrenfriseurstuhls, wie die Schale eines Operateurs, der Gewebsfetzen hineinlegen wird, die er aus meinem Mund nimmt, wenn er denn zuschneidet, um meinen Kopf kurz über dem Nacken.
Ob er kleiner ist als ich, der Andere, ob ich ihn überwinden werde, wenn er aus dem Schatten tritt, kann er denn aus dem Schatten treten, kann er überhaupt aus den Bildern treten, kann er nicht, er kann nicht aus seinen Bildern treten, er bleibt in seinen Bildern stecken, verschweißt in Folie mit Lufteinschlüssen. Ich festige die Plastikschicht mit Bändern aus dem Klebeapparat, und rum und ab und kleb, er kann nicht aus seinen Bildern treten, verschweißt in Plastik die Worte, damit kein Fleck die Seiten verunziere, bevor die endgültige Hand sie aufschlägt, prasselnder Kopf, Hygieneschutz, damit er nicht platzt unter dem Druck in der Friseurstütze, der Operationsschale.
Er kann nicht aus seinen Bildern treten, er kann sich nur mit seinen Abbildern schmücken, kann nicht hinaus, ich muss ihn nicht fürchten, fürchte ihn doch, denn wer nicht hinaus kann, der wird gefährlich, ich poliere meine Hände, meine Arme, er wird hinaus platzen, und ich muss ihm zuvorkommen, mich auf ihn setzen, blindlings auf seinen Brustkorb pressen, seine Arme hochreißen über ihm am Boden, sie festnageln, denn der Hammer ist noch da, den Nagel in die übereinander gelegten Hände, dann an seinem Leib hinab mit dem Hammer, ihn zwischen die sechs-Zoll-Nägel klammern, tailleneng, dann die Füße festnageln, tut mir weh, kann ich nicht, und so muss ich rennen, bevor er sich aus den Nagelhänden und Taillennägeln befreit hat, ich renn durch den Regen, Madonna di Reggio.