Wir sind drei Autorinnen:

© Carmen Oberst
Marita Lamparter schaut sich die Menschen genau an. Sie erzählt davon in Dorfgeschichten aus Westfalen und Stadtgeschichten aus Ottensen.

© Carmen Oberst
Renate Langgemach kann in ihren Romanen einen Hang zu in Schieflage geratenen Verhältnissen nicht verbergen.

© Carmen Oberst
Susanne Neuffer erzählt von Leuten, die sich und andere gern täuschen und meist unruhig unterwegs sind.
Eine Ausgabe nur für Lyrik. Ein Dialog der Dichterinnen.
Ja, Lyrik ist diesmal das Thema. Susanne und Renate stellen Gedichte vor und machen sich Gedanken über deren Form und Inhalt. Beide haben einen Bezug zur französischen Sprache mit ihrer besonderen Art der Poesie.
Was macht wer? Oder: Wer macht was?
Renate schwimmt im See. Sie kann das beruhigt genießen, denn im nächsten Frühjahr erscheint ihr Roman „Septembermeer“ (Arbeitstitel) im Verlag Contra-Bass. Ein Text, der vom Älterwerden erzählt, von der Liebe im Alter mit ihren Stolpersteinen und von einer bestimmten Bucht auf einer Insel im Atlantik. Auszüge daraus waren hier und da in unserem Blog zu lesen.
Susannes Geschichte „Im Lampengeschäft“ ist im neuen Hamburger Ziegel 19 gelandet.
Und sie hat „Delmenhorst“ mitgesungen beim Konzert von Element of crime im Hamburger Stadtpark:
Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist
Und das ist immer Delmenhorst
Es ist schön, wenn's nicht mehr weh tut
Und wo zu sein, wo du nie warst…
So einfach können Lyrics sein. Songtexte eben.
Wir fühlen uns auch manchmal wie eine alte Rockband …
Da funkt es aber wirklich: Susanne und Marita treffen sich regelmäßig zum Duettschreiben im ehemaligen Funkcafé. Ein Thema - zwei Texte. Nächstes Jahr wird die Sammlung der Öffentlichkeit vorgetragen. Alle sind sehr gespannt …
Und was macht Marita sonst noch? Sie telefoniert mit Verlagen und recherchiert weiter für ihr Buch (Literaten als Angehörige …)
Siehe Foto: Seite an Seite mit Joyce. Schöne Begegnung in Triest.
Dort hat James Joyce als Englischlehrer gearbeitet, den Ulysses geschrieben und dort sind seine Kinder Lucia und Georgio geboren.
Im „eppendorfer“, der Zeitschrift für Psychiatrie, erscheint ein Porträt von ihr.
Gudrun - mit ihr bilden wir ein Lit-Quartett - grüßt von ferne, sie arbeitet an ihrem neuen Romanprojekt und stellt uns bei unseren Treffen Auszüge daraus vor.
Susanne Neuffer
Anmerkungen zu meinen Gedichten
1. Wenn Gedichte etwas taugen, sind Anmerkungen eigentlich überflüssig. Dennoch kann ich es ja mal versuchen.
2. Texte wie Badesteg sind selbsterklärend, weil filmisch gemacht. Es gibt Bilder, im Unterschied zur Prosa (meiner) sind sie bei Lyrik (meiner) eher der Realität entnommen. Der Augenblick wird festgehalten – was auch Wochen oder Monate später geschehen kann.
3. Ein Gedicht wie Innovation gehört wahrscheinlich in die Schublade mit der Gedankenlyrik. Trotzdem besteht es aus Bildern anstelle eines einzigen Satzes, dessen Inhalt wiederzugeben
wäre mit „Die Modernisierungswut in den alten Museen führt mit Sicherheit zu einem erheblichen Besucherrückgang“.
Aber es es eben nicht dasselbe (… und hätten wir damit das Wesen von Lyrik erklärt?).
4. Man kann auf Fotos (die jemand im kanadischen Winter aufgenommen hat) reagieren und feststellen, dass diese Fotos selbst schon wieder etwas zitieren. David Lynch oder einfach Fotos anderer Städte. Die Texte waren nur auf Französisch möglich, nicht als Übersetzung aus der eigenen Sprache: Les routes et les stations-service und Villes dans le nord. Vor allem wäre mir das Spielchen mit essence und existence bei deutscher Textherstellung nicht eingefallen...
Badesteg
Es ist Oktober auf dem Kalender
Zeit dass der Badesteg
von Amts wegen abgebaut wird
Das ist eine Großaktion für die
es einen Bagger braucht
eine junge Frau mit Hund zum Zuschauen
von der Zimmerei den Seniorchef
und einen Elektrotechniker
mit Gummistiefeln bis unter die Achseln
Große Bewegungen im Vormittagsdunst!
Mit Kraft und einer Akkusäge
zerlegen sie das Holz das vom Sommer noch warm ist
und nach nassen Badeanzügen riecht
Liebevoll hebt die Baggerschaufel
die Planken an Land
Schlaft gut in den Stürmen
die wir erwarten
Innovation
Die alten Museen erneuern sich langsam
Zuerst gehen die hohen Toilettensäle
und das Linoleum
dann wird
Abblätterndes
behandelt
Alles
frischt weiß auf
Zuletzt verschwinden
die Langeweile
und der Sonntagsgeruch
Es wird lustig im Museum
wenn der ausgestopfte Schamane
ins Magazin gerollt wird
Gehen wir halt auch

Les routes et les stations-service
On a tout dit
on a tout écrit
sur les routes qui mènent vers le nord
Il y a des gens
qui ont toujours froid
Qu'on les laisse rentrer sans regret!
Il y a ceux qui comprennent
que la lumière et le silence suffisent
comme compagnons de voyage
Il faut être prudent:
Ici l'essence précède
incontestablement
l'existence de l'automobiliste
Villes dans le nord
Elles se ressemblent
grâce à leur site exposé
au bord des grandes eaux
Leurs maisons à quatre ou cinq etages
renoncent à chaque attitude pittoresque
excepté une vue qui s'ouvre sur la baie
promettant le fjord
et les glaciers
au loin
(Une maison c'est pour vivre dedans
disait R. qui ne préférait les terrasses
qu'au mois d'août)
Pour nous qui aimons le froid
ce sera toujours Narvik
ou une de ses soeurs lontaines
pas plus belles
avec leurs supermarchés illuminés
leurs mendiants
leurs carrefours
leurs marchés de poissons
on s'y connaît
Renate Langgemach
Anmerkungen zu meinen Gedichten
Susanne geht das Wagnis ein, zwei Gedichte in französischer Sprache in den Blog zu stellen, sie hat sie direkt in Französisch geschrieben, der Anlass wollte es so.
Ich ließ einige meiner Gedichte ins Französische übersetzen, ein Versuch mit seinen Tücken, etwas aus meinen Gefühlslandschaften französisch werden zu lassen.
Als Beispiel greife ich auf ein Gedicht zurück, das in unserem Blog textX3 Ausgabe 3 schon einmal angesprochen wurde
sieben kleider hab‘ ich getragen.
dünn und fest und fast wie die haut
an ihren bändern zu ziehen
begann ich zu wagen
still dabei sein, verlorene braut
haut der schneetage
haut des vergangenen mondes
bergnebelhaut
haut des hundehauses
steinhaut
regenhaut
brannthaut
sept robes j‘ai portées
d‘un tissu fin et ferme
presque comme la peau
à tirer sur leurs rubans
je me suis risquée
tout doucement, mariée perdue
peau des jours de neige
peau de la lune passée
peau des brumes de montagne
peau de chenil
peau de pierre
peau de pluie
peau qui brule
traduit de l‘allemand
par Anne-Marie Geyer
Man müsste fast beide Gedichte laut lesen, um die Bilder und den Klang der Worte zu erfassen, die darin verwendet werden. Für mich geht es darin um eine junge Frau, die sich von den sieben Schichten, die sie geformt haben, befreien möchte. Zugleich nennt sie sich verlorene Braut, denn wer weiß, ob das in der Bindung, die sie eingehen wird, gelingen kann.
Die erste Strophe folgt einem leisen Tanz der Worte, Schärfe bekommt sie an den Zeilenenden durch Wörter wie haut und braut. Das französische Wort für Haut, peau, klingt viel weicher als der Auslaut t im Deutschen. Ein Wort für Braut, die Frau, die am Vorabend ihrer Heirat steht, gibt es gar nicht.
Man kann im Deutschen ein zartes Mädchen mit Braut assoziieren (natürlich auch eine gestandene Frau), aber auch die Rockerbraut, die Motorradbraut, mit der sich etwas Härteres einschleicht, das die marie perdue, die ja schon im Ehestand ist, das jeune fille (junge Mädchen) oder die jeune fiancée (junge Verlobte), die zur Übersetzung zur Verfügung stünden, nicht im inneren Bild tragen.
Auch das Wort brannthaut am Ende des Gedichtes trägt eine ganz andere Schärfe als peau qui brule: das Deutsche hat die fantastische und präzise Möglichkeit der Wortzusammensetzung, die das Französische nicht hat, es umschreibt, braucht das Pronomen, schon ist der ‚Sound‘, das innere Bild, weicher.
So finde ich mich mit den von mir gewollten (Klang-)Assoziationen und Konnotationen in der fremden Sprache nicht wirklich wieder - und klar, das ist bei einer Lyrikübersetzung eine absolut schwierige Sache, meine Übersetzerin und ich haben lange über die passenden Wörter verhandelt!
Die folgenden Gedichte sind zutiefst emotional, ein Gefühl will nach außen, ein Gedanke will formuliert sein, mehr ist es nicht. Wer etwas anmerken will … gern!

Gouache: Heinz Jahn
ich möchte ein gedicht schreiben
eines, was du magst
von kranichen und goldammern
vom flügelschlag der sommerbirke
unserem baum am see -
siehst du denn nicht
dass er auf dich wartet
nun schon das zweite jahr
der tod ist ein wagnis sondergleichen
wenn worte
meine freiheit sind
sollte ich sie nutzen
wenn gedanken
meine freiheit sind
sollte ich sie nutzen
wenn das leben
meine freiheit ist
sollte ich es nutzen
die fenster bleiben geschlossen
der regen verliert seinen atem nicht
und seine lauernde art
sturm hebt wurzeln aus ihren senken
und unser kirschbaum fällt
um dreizehn uhr vier
Termine:
GARTOW ERZÄHLT
10 Frauen aus Gartow im Interview.
Silke Goes (Fotografie), Renate Langgemach (Text)
20. September 2025 um 15 Uhr
evangelisches Forum Gartow
Zehn Interviews ergeben zehn Geschichten Gartower Frauen,
einen Querschnitt ihrer Erlebnisse und Gedanken,
auch ihrer Impulse an den Ort. Vergangenheit
und Gegenwart junger und alter Bewohnerinnen Gartows
bündelt sich so zu einer Geschichte des Ortes.
Renate Langgemach liest daraus vor.